Gradierte Bauteile: interaktiv und schnell funktional definieren
Mit funktional gradierten Materialien lassen sich Bauteile anforderungsgerecht optimieren. Deshalb nutzen Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IGD die Anwendung GraMMaCAD, um Materialverteilungen elegant und intuitiv an CAD-Modellen zu definieren. Im Zusammenspiel mit dem Multimaterial-3D-Druck entstehen daraufhin neue Möglichkeiten, komplexere Bauteilanforderungen umzusetzen.
Im Vergleich zu traditionellen Fertigungstechniken ermöglicht die Additive Fertigung mehr Designfreiheit. Neuartige Formen lassen sich gestalten, Funktionen in Formen integrieren oder unterschiedliche Materialien kombinieren – in einem einzigen Druckprozess. Gerade mehrere Materialien einzusetzen und zu Multimaterialien zu kombinieren, wird immer wichtiger für die Industrie. Sogenannte Gradientenwerkstoffe gehen speziell aus der Additiven Fertigung hervor, also Werkstoffe, deren Eigenschaften kontinuierlich entlang einer Raumrichtung ausgeprägt werden, ggf. auch mehrerer Raumrichtungen oder der Geometrie bzw. den Belastungen des Bauteils folgend. Eine solche Veränderung lässt sich erzielen, wenn die Materialzusammensetzung oder die Prozessparameter im additiven Herstellungsprozess modifiziert werden. Dann lassen sich die Materialeigenschaften innerhalb eines Bauteils ganz gezielt einstellen. Ein Anwendungsbeispiel wäre ein fließender hart-weich-Materialverlauf an einem Dämpfungselement, das dadurch am Materialübergang weniger rissanfällig ist, als wenn das Material abrupt wechselt – wie bei unserem Beispiel des Standfußes.
Mit der Software GraMMaCAD (Graded Multi-Material CAD) gibt das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD der Industrie ein Werkzeug für deren CAD-Geometrien an die Hand, mithilfe dessen im Entwicklungsprozess virtueller Produkte Materialverteilungen und Materialverläufe interaktiv definiert werden.
Bisher ist die Definition von lokal variierenden Eigenschaften auf CAD-Modellen ein umständlicher und zeitaufwendiger Prozess für Designer, Konstrukteure oder 3D-Druck-Dienstleister. Es existiert keine elegante Lösung, die eine interaktive und intuitive Definition lokal variierender Eigenschaften erlaubt. Die gängige Praxis besteht darin, entweder das Modell in Teilmodelle zu unterteilen, denen dann verschiedene Materialien zugewiesen werden. Allerdings erlaubt dies meist nur diskrete Materialübergänge. Oder man nimmt die Materialzuweisung anhand von Bildern (Texturen) vor, und zwar in einem Vorbereitungsschritt für den 3D-Druck. Hierbei muss die Gradierung erzeugt werden, indem die Texturinformation variiert wird – bei Geometrieänderungen sind also spezielle Vorkehrungen zu treffen oder manuelle Anpassungen werden notwendig.
Daher stellt sich die Frage: Wie lassen sich mit geringem Aufwand lokal variierende Materialinformationen innerhalb eines dreidimensionalen Bauteils erzeugen?
Hier setzt GraMMaCAD an. Diese Software will volumetrische Materialverteilungen und Materialverläufe interaktiv erzeugen und bedient sich auf elegante und benutzerfreundliche Art eines graphisch-interaktiven Editors. Ausgangspunkt ist ein CAD-Modell, das mit einem beliebigen CAD-Werkzeug modelliert wurde. Die Lösung des Fraunhofer IGD unterstützt dabei zahlreiche gängige CAD-Formate, wie bspw. STEP, CATIA, JT, Pro/E und SolidWorks. Die Benutzenden können in GraMMaCAD zwischen drei Ansätzen auswählen, um Materialverteilungen an dem CAD-Modell zu generieren. Mit dem ersten Ansatz können sie eine oder mehrere CAD-Flächen des CAD-Modells auswählen. Den zweiten Ansatz bilden sog. Hilfsgeometrien. Dabei kann der Benutzer z. B. eine oder mehrere neu erzeugte Ebenen wählen. Die ersten beiden Möglichkeiten erzeugen einen gradierten Materialverlauf, welcher von den gewählten Flächen ausgeht, wobei die Benutzenden die Art des Materialverlaufs graphisch-interaktiv beeinflussen können. Der dritte Ansatz ergibt sich, wenn der Benutzer Bauteilen des CAD-Modells Materialinformationen zuweist und die automatische Errechnung (Interpolation) der Materialkennwerte zwischen ihnen aktiviert. In diesem Fall muss der Benutzer das CAD-Modell vorher in einer CAD-Software in Teilkörper zerlegen und kann dann jedem Teilkörper entweder ein bestimmtes Material zuweisen oder als gradiert deklarieren. GraMMaCAD erzeugt den Materialverlauf daraufhin automatisch anhand der Umgebungsinformation.
3D-Druckmaschinen, die mehrere verschiedene Materialien auf engem Raum verarbeiten können, vermögen gradierte CAD-Modelle prinzipiell zu realisieren, z. B. Geräte der Serie J7 und J8 der Firma Stratasys. Doch mehr und mehr Multimaterial-3D-Drucker drängen auf den Markt und setzen funktional gradierte Objekte für anspruchsvolle Designs um, wie z. B. Mimaki 3DUJ-553, Arburg Freeformer und der Druckkopf Aerosint Selective Powder Deposition Recoater.