EU-Innovationspreis für ROBBE von RWE & Fraunhofer IGD
Strahlenbelastung und radioaktiver Abfall wird reduziert
RWE Nuclear und das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD haben für das gemeinsame Forschungsprojekt ROBBE (ROBotergestützte BEarbeitung von Baugruppen) den Nuklearen Innovationspreis der EU erhalten. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms FORKA (Forschung für den Rückbau kerntechnischer Anlagen) geförderte Projekt wurde von der Jury mit dem dritten Preis für die Entsorgung radioaktiver Abfälle ausgewählt. Die feierliche Preisübergabe erfolgte heute bei einem Festakt im Rahmen der 10. Euratom-Konferenz zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in Lyon. Rosalinde van der Vlies, Direktorin Clean Planet der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission, übereichte den mit 20.000,- € dotierten Preis an Gabriele Strehlau, kaufmännische Geschäftsführerin der RWE Nuclear GmbH und Pedro Santos, Abteilungsleiter für Digitalisierung von Kulturerbe beim Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt.
„Wir sind stolz auf die unkonventionelle Herangehensweise des Teams. Insbesondere die Verbindung von Lösungsansätzen aus einem völlig anderen Anwendungsfeld, der Digitalisierung von Kulturgütern, mit standardisierten Industrieprodukten hat eine Technik geschaffen, die Menschen schwere körperliche Arbeit erspart und uns eine effiziente und ressourcenschonende Behandlungsmöglichkeit von radioaktiven Reststoffen eröffnet“, freut sich Gabriele Strehlau. „Wir sind erstmals in der Lage Oberflächen beliebiger Objekte, ohne vorherige Referenzen wie CAD-Modelle, vollständig in 3D zu erfassen und im Anschluss zu bearbeiten. Mit RWE Nuclear haben wir die Praxistauglichkeit unserer vollautomatisierten Verfahren auch im industriellen Kontext erfolgreich nachweisen können.“ ergänzt Pedro Santos.
Beim sicheren Rückbau eines Kernkraftwerkes werden demontierte Anlagenteile aus dem Kontrollbereich – vielfach beschichtete Stahlteile – auf mögliche Kontamination untersucht. Eventuelle oberflächlich anhaftende radioaktive Partikel werden im Rahmen der Dekontamination entfernt. Denn die Minimierung radioaktiven Abfalls ist übergeordnetes Ziel beim Rückbau und darüber hinaus gesetzlich vorgeschrieben. Hierbei kommt oft das händisch durchzuführende, mechanische Verfahren der Wasser-Hochdruckreinigung in speziellen Reinigungskabinen zum Einsatz. Der überwiegende Teil des abgebauten Materials kann so weit gesäubert werden, dass es unter behördlicher Kontrolle freigegeben – also den gesetzlich definierten Grenzwert für Strahlenbelastung unterschreitet – dem Wertstoffkreislauf zugeführt wird.
Effizienzsteigerung von über 50 % und Steigerung des Arbeitsschutzes
Die jetzt gemeinsam von RWE und Fraunhofer IGD entwickelte robotergestützte Bearbeitung von Baugruppen bringt einen enormen Effizienzschub bei der Dekontamination und damit für den gesamten Rückbau.
Kern der Technologie ist die autonome Erfassung der 3D-Geometrie beliebiger beschichteter Bauteile unterschiedlicher Form und Größe sowie deren robotergestützte Entschichtung mittels Ultra-Hochdruck-Wasserstrahltechnik. Der autonome und automatisierte Ansatz macht eine schnellere, effizientere und hinsichtlich des Strahlenschutzes optimierte Bearbeitung der Bauteile möglich. „Ursprünglich haben wir die Technologie für die exakte 3D-Digitalisierung von Kulturartefakten z.B. bei archäologischen Ausgrabungen entwickelt. Gemeinsam mit RWE haben wir unsere innovative Scantechnologie auf die Anforderungen der robotergestützten Dekontamination im Rückbau übertragen“, erläutert Pedro Santos.
Von der Projektidee, über das Labormodell bis zur industriellen Anwendung als Prototyp in der RWE-Rückbauanlage in Biblis, konnte das innovative Projekt die Jury insgesamt überzeugen. Allein am Standort Biblis werden während des Rückbaus rund 15.000 Tonnen beschichtete Stahlteile anfallen. Bei der robotergestützten Verarbeitung ist eine Effizienzsteigerung von deutlich über 50 % gegenüber manuellen Prozessen zu erwarten. Gleichzeitig zahlt die Innovation auf den Arbeitsschutz ein. Denn die Strahlenbelastung des Bedienpersonals und der Umfang der körperlich anstrengenden manuellen Arbeit wird reduziert.
Die Aufnahme des Regelbetriebs in der Bibliser Rückbaufabrik ist für Herbst 2022 vorgesehen. „Selbstverständlich sehen wir auch großes Potential, diese innovative Technologie an unseren anderen Rückbaustandorten oder auch in anderen Industriezweigen zum Einsatz zu bringen“, erläutert Gabriele Strehlau den Nutzen für RWE. Ein entsprechendes Patent ist bereits beantragt.