Smart Hospital
Noch sind echte »Smart Hospitals« rar. Doch die Forschung des Fraunhofer IGD könnte schon bald den Klinikalltag bereichern – mit Künstlicher Intelligenz in Betten, Böden und bei der Bildauswertung.
Am Fraunhofer IGD forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an konkreten Möglichkeiten, digitale Technologien in den Klinikalltag zu integrieren und die Häuser so zu zukunftsfähigen »Smart Hospitals« zu machen. Einer dieser Forscher ist Dr. Stefan Wesarg. Der Physiker ist davon überzeugt, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) schon bald Einzug halten in den Krankenhäusern. Sie könnten dort die Diagnostik beschleunigen, die Therapie unterstützen und die Nachsorge verbessern – zum Beispiel, wenn eine CT-Untersuchung zu beurteilen ist: »Nach einem Kopf- und Hals-Scan muss ein Radiologe an die hundert Schichtbilder durchscrollen und nach Auffälligkeiten suchen«, sagt Wesarg. KI kann die Bilddaten viel schneller analysieren und würde nur jene Abweichungen anzeigen, die sich die Ärztin oder der Arzt genauer anschauen sollte. Das System könnte die Bilddaten um Konturlinien an bestimmten Organen ergänzen oder »in der nächsten Ausbaustufe entscheiden, ob eine Veränderung gut- oder bösartig ist«, so Wesarg. Denkbar wäre gar, dass ein Algorithmus in Zukunft den Schweregrad einer Krebserkrankung einordnet und die passende Therapie vorschlägt.
Ein Rollator, der sich auskennt
Dr. Mario Aehnelt, ein Kollege von Stefan Wesarg, arbeitet im 700 Kilometer entfernten Rostock an Lösungen, die Pflegekräfte und zu behandelnde Personen unterstützen sollen. Der Informatiker entwickelt mit seinem Team einen eigenständig fahrenden Roboterrollator: »Er kann sich im Krankenhaus autonom bewegen und Patientinnen und Patienten zu einer Behandlung oder zurück auf ihre Station begleiten, sodass sie sicher den Weg finden.« Vor allem für ältere Menschen ist das eine große Hilfe, die zudem das Personal entlastet.
Ein Bett, das aufpasst
Stationen mit älteren oder an Demenz Erkrankten dürften auch von der Arbeit Florian Kirchbuchners profitieren. Sein Team hat sich auf vernetzte Sensorik spezialisiert und forscht unter anderem an intelligenten Betten. Diese melden dem Pflegepersonal, wenn jemand umgelagert werden muss, um Wundliegen vorzubeugen. Oder sie machen sich bemerkbar, wenn ein Demenzpatient nachts allein aufsteht. »Wir trainieren die Systeme so, dass die Sensoren unterscheiden können, ob sich jemand im Bett einfach nur umdrehen oder es verlassen will«, sagt Kirchbuchner.
Ein Boden, der mitdenkt
Ein System, das Stürze erkennen kann, wäre im Krankenzimmer ebenfalls eine wertvolle Ergänzung. Es erkennt nämlich auffällige Gehmuster und schlägt beim Pflegepersonal Alarm, sollte ein Patient fallen. Die elektrische Feldsensorik liegt unter dem Parkett und besteht aus Drucksensoren, die eine Person im Raum lokalisieren können. »Messen sie einen plötzlichen Aufschlag und danach Inaktivität, dann ist wahrscheinlich ein Sturz passiert«, erklärt Kirchbuchner das Prinzip.
Ein kluger Roboterrollator, ein mitdenkendes Bett und ein wachsamer Fußboden werden ihren Preis haben, wenn sie dann marktreif sind – erst recht, wenn eine ganze Station damit ausgestattet wird. Doch laut Entwickler Florian Kirchbuchner lassen sich mit KI im Krankenhaus sogar Kosten sparen: »In der Summe sind die digitalen Lösungen günstiger als die entstehenden Schäden, wenn KI nicht eingesetzt würde.« Aktuell versucht Kirchbuchners Team, den Mehrwert der Technologien für die Gesellschaft zu evaluieren, »um zu klären, inwieweit die Krankenkassen KI finanzieren könnten«.
Krankenhäuser nicht überrumpeln
Angesichts der demografischen Entwicklung ist es allerdings wohl nur eine Frage der Zeit, bis KI in Krankenhäusern zum Einsatz kommt – vielleicht kommen muss. Die Einrichtungen damit zu überrumpeln, sei dennoch die falsche Strategie, findet Prof. Jörn Kohlhammer. Der Informatiker macht die aus KI gewonnenen Daten mit geeigneten Visualisierungen erklärbar, damit sie im Klinikalltag akzeptiert und genutzt werden. »Algorithmen und Machine-Learning-Verfahren sind nämlich selbst für Sachkundige nicht besonders verständlich«, gibt der Wissenschaftler zu. »In der Medizin ist Nachvollziehbarkeit aber entscheidend.« Schließlich haben Ärztinnen und Ärzte ihre Entscheidungen zu rechtfertigen, und zwar gegenüber den Patienten und dem Versicherer.
Ein paar Hürden gilt es allerdings noch zu überwinden, bevor die KI-Systeme der Forschenden am Fraunhofer IGD endgültig kliniktauglich sind: etwa die Evaluation und die Zulassung als Medizinprodukt. Die Regeln für die Zulassung sind zu Recht streng und müssen für KI zunächst noch definiert werden. Rein rechtlich darf derzeit keine Technologie zum Einsatz kommen, die sich später noch verändert – KI-Systeme müssten also zu Ende gelernt haben, was keineswegs ihrem Naturell entspricht. Lange wird es trotzdem nicht mehr dauern, bis Algorithmen in Krankenhäusern selbstverständlich sind. Schon jetzt ist KI aus der Medizin nicht mehr wegzudenken.