Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD
Die Arbeit operativ tätiger Kräfte im Offshore-Bereich unterliegt anspruchsvollen und ständig wechselnden Belastungen. Sie erfordert einen permanent sicheren Umgang mit Risiken und die Beherrschung von Notfallsituationen. Heutige Methoden zur Sensibilisierung der Kräfte auf Gefahren beruhen vor allem auf umfangreiche Trainingsszenarien unter realen Bedingungen, was mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden ist.
Die Arbeit operativer Kräfte im Offshore Bereich erfordert die Beherrschung verschiedener Notfallsituationen. Konkret müssen Fachkräfte, die von einem Helikopter zu ihrem Einsatzort gebracht werden, lernen, bei einer Notwasserung sich selbst und andere aus der Helikopterkabine unter Wasser zu evakuieren. Heutige Methoden zur Ausbildung der Einsatzkräfte beruhen vor allem auf umfangreichen Trainingsszenarien unter realen Bedingungen, was mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden ist. Gleichzeitig führt die hohe physische und psychische Belastung der Trainingsteilnehmer regelmäßig zu Trainingsabbrüchen.
Das Projekt "Next Reality" hat das Ziel, unter Einsatz innovativer Mixed-Reality-Technologien (MR) das Training der Handlungskompetenzen in Stresssituationen ohne Gefährdung der Teilnehmer zu ermöglichen. Hierfür erforscht und entwickelt das Fraunhofer IGD zusammen mit den Projektpartnern OffTEC Base GmbH & Co. KG, Meilenstein Digital GmbH und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Lösungen im Bereich Virtual Reality, Biofeedback und haptische Aktorik.
Im Ergebnis sollen immersive Ausbildungsszenarien geschaffen werden, die psychische und physische Belastungsfaktoren simulieren. Dadurch wird es den Teilnehmern ermöglicht, sich auf die extremen Bedingungen vorzubereiten, ohne tatsächlichen Risiken ausgesetzt zu sein. Hierzu wird eine audio-visuelle VR-Anwendung mit weiteren Sinnesreizen, wie einer real ertastbaren und manipulierbaren Umgebung, einer simulierten Atemnot und der Übertragung von Bewegungen, Stößen und Vibrationen auf den Körper kombiniert.
Unsere Plattform verbindet die MR-Umgebung mit einer mobilen Steuerungsapplikation, welche dem Trainer die Überwachung und Anpassung des Ausbildungsszenarios ermöglicht. Zugleich erfolgt durch die Messung von Vitaldaten (Herzschlag, Temperatur etc.) eine Bewertung der physischen und psychischen Belastung (Stresshöhe) des Probanden. Diese Daten werden über Funk auf einen Server gesendet, automatisch analysiert und zur Steuerungsapplikation zurückgespielt. Auf dieser Grundlage kann eine manuelle oder automatische Änderung der Intensität der erlebten Notsituation erfolgen, um die Trainierenden zum Erfolg zu führen.
Next Reality ermöglicht die Erforschung modernster MR-Technologien im Kontext stressbelasteter Trainingssituationen und macht die Auswirkungen auf die Trainierenden überwach-, mess- und auswertbar. Die entwickelten Konzepte und Module sind auf ähnliche Anwendungsszenarien übertragbar und können so ein erfolgreiches Erlernen und Üben von Handlungsabläufen in Notsituationen unterstützen.
Die psychophysischen, ethischen und rechtlichen Auswirkungen sowie die Akzeptanz dieser neuartigen Trainingsmethoden sind weitere Forschungsthemen des Projektes. Zukünftig sollen weitere Komponenten zur Verbesserung der erlebten VR-Welt entwickelt werden und neue, beispielsweise KI-basierte Algorithmen zur Bewertung der gemessenen Stresshöhe und zur Anpassung der VR-Umgebung erforscht werden.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Durch die Immersion in der Mixed Reality soll insbesondere das Verhalten in psychischen und physischen Belastungssituationen trainiert werden. Eine wesentliche Forschungsfrage ist, welche Qualität der MR-Darstellung in Multi-User-Szenarien mit unterschiedlich
qualifizierten und erfahrenen Nutzern (Trainer, Auszubildender, Techniker, Rettungskräfte) notwendig ist, um in sehr anspruchsvoller, sicher veränderter Umgebung zu der erwünschten Immersion und denen im Training angestrebten Situationsempfindungen zu führen.
